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Ladinia
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Geschichte
Nach dem II. Weltkrieg


Die paritätische Schule

"Das gesamte 20. Jahrhundert war in diesen zwei Tälern vom Versuch der monokulturellen Assimilierung gekennzeichnet".

Roland Verra
(ladinischer Schulamtsleiter)

Nach dem Faschismus kam gleich ein zweiter Versuch, die ladinische Minderheit mit einer vollkommen fremdsprachigen Schule zu assimilieren: Es gab äußerst hartnäckige Versuche, die Schule in den ladinischen Tälern Südtirols zu germanisieren. Die Tendenz hat bis heute nicht ein Ende gefunden.

Nach dem Faschismus sah man die Chance eines Neubeginns auch in Schulangelegenheiten. Am 23. August 1945 trafen sich in Picolin die Bürgermeister und Pfarrer des Tales, um die Zukunft der Schule zu besprechen. Gefordert wurde eine Schule, die auch heute noch vorbildlich und fortschrittlich wäre: Unterrichtet werden sollte zuerst nur Ladinisch, dann paritätisch Ladinisch-Deutsch-Italienisch. Es war ein zukunftsweisender Vorschlag, der auch heute noch fortschrittlich wäre und eine deutliche Verbesserung im Minderheitenschutz brächte.

Gegen diese Schulidee gab es Widerstand sowohl bei den italienischen als auch bei den deutschen Nationalisten. Rom wollte eine rein italienische Schule. Auf der anderen Seite - ein großer Teil der deutschen Politik in Südtirol, dazu leider auch viele ladinische Mitläufer - verlangte man eine rein deutsche Schule (wie sie im übrigen der Nationalsozialismus eingerichtet hatte.)

Für die Befürworter der deutschen Schule war der Wille Roms ein willkommener Anlaß nicht nur, um gegen eine Assimilierung von italienischer Seite zu agitieren, sondern um die Assimilierung von deutscher Seite voranzutreiben. Man war dem Faschismus gerade entkommen und leitete eine analoge, deutsche Assimilierungspolitik ein: Ausschluß der Muttersprache aus der Schule.

Es wurde eine regelrechte Hetze gegen das vorgeschlagene ladinische Schulmodell vom Zaun gebrochen. Mit den Anschuldigungen und Verleumdungen waren die Befürworter der deutschen Schule nicht zimperlich. Jene, die sich für den ladinischen Schultyp aussprachen, wurden der Kollaboration mit Rom und des Faschismus bezichtigt! Als ob der Faschismus darin bestünde, die Sprache einer Minderheit in den Schulen zu unterrichten!

Es gelang mit der Hetze, einen gewichtigen Teil der Bevölkerung bzw. ihrer Vertreter zu gewinnen bzw. für sich zu vereinnahmen: Bei den Abstimmungen über das Schulmodell standen nur die deutsche und die italienische Schule zur Auswahl, nicht jedoch der fortschrittlichste Vorschlage: Die mehrsprachige Schule.

Im Streit wurde für einige Jahre wurde inzwischen die rein deutsche Schule eingeführt. Eine Parallele zu den Maßnahmen des Faschismus. Moderate Vorschläge wurden nicht beachtet, nicht der Vorschlag jener Ladiner, die ihre Muttersprache in der Schule wollten, nicht der Vorschlag des Inspektors Josef Ferrari, der ebenfalls ein paritätisches Schulmodell vorschlug - und dafür von den deutschnationalen Kreisen angefeindet wurde.

Bei der Hetze gegen einen ladinischen Schultyp profilierte sich besonders die neugegründete SVP - sie wurde in der Politik der Assmilierung die treibenden Kraft.

Die SVP war gegen Ladinisch in der Schule, denn man erachtete diese Sprache nicht dafür wert! Ladinisch sah man als wertlosen Dialekt an - man war auch in diesem Punkt den Theorien des italienischen Faschismus nahe. Wenn Ladinisch in den Familien gesprochen wurde, sei dies ausreichend, so die These. Doch in den Familien konnte man auch während des Faschismus Deutsch reden. Es gab damals (und auch heute noch) abschätzige Bemerkungen, die ladinische Sprache sei es gar nicht wert, in den Schulen unterrichtet zu werden - ein Zeichen, daß viel Nationalismus und Minderheitenfeindlichkeit im Spiel war. Albuin Forer sagte: "Il ladino è un dialetto e i dialetti si insegnano all'Università a scopo scientifico, non a scuola".

Die Lösung kam vom römischen Ministerium:

Am 27.08.1948 beschloss Unterrichtsminister Guido Gonella das partitätische Schulsystem. Die Hälfte wird Deutsch unterrichtet, die Hälfte Italienisch, Ladinisch wird als Behelfssprache benutzt und in einem ganz kleinen Ausmaß auch als Sprache unterrichtet. Das Modell wurde ab dem Schuljahr 1948/49 Pflicht.

Es war eine Entscheidung mit Weitsicht. Heute wird das paritätische Schulsystem als mögliches Modell für andere angesehen - die Mehrsprachigkeit gefällt, doch niemand will den fast-Ausschluß der Muttersprache aus den Schulen. Jene Leute, die damals die ladinische Minderheit vor einer Assimilierung gerettet haben, haben historische Bedeutung, auch wenn sie in den Geschichtebüchern nicht erwähnt werden.

Zunächst gab es Widerstand, fanatische Eltern zogen ihre Kinder während des Ladinisch-Unterrichts aus den Schulen ab. Doch im allgemeinen nahm die Bevölkerung das Modell rasch als positiv auf. Die Politik wollte weiterhin eine Schule der Assimilierung. Mit dem 2. Autonomiestatut (1972) wurde die paritätische Regelung auf Verfassungsniveau gehoben. Auf deutscher Seite (d.h. unter Führung der SVP) startete man jedoch eine Kampagne, um dennoch deutsche Schulen in Ladinien einführen zu können. Die Ausrede: Die Deutschen in den ladinischen Tälern hätten das Recht auf eine Schule in der Muttersprache. Doch gab es in Ladinien nicht so viele Deutsche, daß man eigene Schulklassen hätte bilden könne, geschweige denn ganze Schulen!

Die ladinischen Kulturvereine stemmten sich gegen diesen erneuten Versuch der Assimilierung (und wieder wurden sie dafür übel beschimpft). Die Auseinandersetzungen wurden sehr heftig. Der Landtag reichte schließlich 1973 Rekurs beim Verfassungsgericht ein, um deutsche Schulen in Ladinien zu erzwingen! Am 21. April 1976 entschied das Verfassungsgericht: Es lehnte den Rekurs - und Assimilierungsversuch ab. Laut Artikel 19 des Autonomiestatus müssen die Schulen in den ladinischen Tälern paritätisch sein.

Trotz des Artikel 19 des Autonomiestatuts, trotz des Spruchs des Verfassungsgerichts unterhielt das Land einige Jahren in Picolin (San Martin de Tor) eine rein deutsche Berufsschule: Verfassungswidrig, minderheitenfeindlich.

So wurde empfohlen, das paritätische System auszuweiten und auch das Ladinisch als Unterrichtssprache zu verwenden (nicht nur als Unterrichtsfach), so daß ein Drittel der Fächer Ladinisch unterrichtet würde. Die Forderung wurde nicht angenommen: in der Partei haben jene die Oberhand, die die Ladiner mit einem kaum vorhandenen Muttersprachenunterricht assimilieren wollen. Ein Kandidat dieser Partei hat jene, die die "Drittelparität" wollen, d.h. die Gleichberechtigung des Ladinischen, als Extremisten und Fanatiker bezeichnet.

Immer wieder wurde (und wird) und wird bei den Ewiggestrigen die Meinung geäußert, der Unterricht des Ladinischen würde das Niveau der Schule senken - eine Ansicht, die von jedem seriösen Wissenschaftler als Unsinn bezeichnet wird: Warum soll der Unterricht der Muttersprache schädlich sein!

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