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Ladinia
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Sprache
Ladin dolomitan
Die ladinische Schriftsprache

"Ladin dolomitan" nennt sich die Schriftsprache der Dolomitenladiner, die vom Sprachplanungsprojekt "spell" ausgearbeitet wird. "spell" heißt "servisc de planificazion y eleborazion dl lingaz ladin" (Dienststelle für die Normierung und den Ausbau der ladinischen Sprache).

Beim Ladin dolomitan handelt es sich um eine standardisierte Form des Ladinischen für die schriftliche Verwendung. Bisher haben die ladinischen Täler bzw. Idiome zu keiner gemeinsamen (überregionalen) Schriftsprache gefunden. Dafür gibt es mehrere Ursachen:

· Das Fehlen eines großen, gemeinsamen kulturellen Zentrums (jene Städte, die dafür in Frage gekommen wären, wie die Bischofsstadt Brixen, wurden schon früh germanisiert).

· Das Fehlen eines einheitlichen autonomen Verwaltungsgebietes für die Ladiner. Die Sprachen der Verwaltung waren immer Fremdsprachen, es gab deshalb nicht die Notwendigkeit einer gemeinsamen Form des Ladinischen.

· Die Schriftlichkeit hatte in der vorherrschenden bäuerlichen Lebensweise allgemein eine vergleichsweise geringe Rolle. Ladinisch wurde zudem nicht in den Schulen unterrichtet. Den wenigen Ladinern, die schreiben mußten, standen zwei ausgebaute Schriftsprachen zur Verfügung bzw. mußten sich dieser Schriftsprachen bedienen, da Ladinisch nicht verwendet wurde.

· Durch die Dreiteilung der Ladiner durch den Faschismus (besonders seit 1927) wurde die Isolation der Talschaften untereinander verstärkt.

Die Notwendigkeit einer Schriftsprache
Die Umstände haben sich geändert. Eine gemeinsame Schriftsprache ist notwendig, damit das Ladinische Überlebenschancen hat. Eine Schriftsprache ist eine "conditio sine qua non." Das Fehlen der Schriftsprache wird übrigens immer wieder als Vorwand genommen, um das Ladinische nicht anzubringen. Ohne öffentliche Verwendung ist eine Sprache jedoch dem Untergang geweiht. Die Ladiner sind von zwei Sprachen umgeben, die die tägliche Realität fast vollständig beherrschen. Ohne angemessene Verwendung der Sprache in der Öffentlichkeit (Verwaltung, Wirtschaft), in der Bildung (Schule, Universität), in den Medien, ist die Sprache zum Untergang bestimmt.

Warum eine einheitliche Schriftsprache?
· Ladinisch ist Verwaltungssprache geworden. Derzeit wird für Dokumente zwischen verschiedenen Varianten ausgesucht (und zwar der faschistischen Dreiteilung entsprechend, also in der Provinz Bozen zwischen badiot und gherdëina, in der Provinz Trient fascian, in der Provinz Belluno - sofern Ladinisch überhaupt verwendet wird - fodom oder ampezan). Eine Form für alle Ladiner ist notwendig, und dies in Überwindung der Dreiteilung.

· Jede Sprache benötigt eine Sprachplanung. Vor allem in der heutigen Zeit, in der die Wortneubildungen häufig sind (und gleichzeitig ein beträchtlicher Teil des überlieferten Wortschatzes seine Bedeutung verliert, da die bäuerliche und handwerkliche Welt zunehmend verschwindet), ist eine von Fachleuten geleitete Sprachplanung notwendig. Es ist von Vorteil, diese Sprachplanung für alle Idiome gemeinsam vorzunehmen, um Synergien zu schaffen.

· Es hat sich gezeigt, daß die Festigung und der Ausbau der Verwendung des Ladinischen nicht ausschließlich, aber doch zum Großteil vom Vorhandensein einer einheitlichen, alle Idiome verbindenden gemeinsamen Schriftsprache, abhängt.

· Das Ladin dolomitan ist ein Zeugnis gegen die immer noch lebendigen Theorien, die vor allem vom Faschismus verbreitet wurden, wonach Ladinisch keine Sprache, sondern ein italienischer Dialekt sei. Gleichzeitig ist die Schriftsprache eine Möglichkeit, wenigstens kulturell die Nachteile der faschistischen Dreiteilung zu dämpfen.

Die Form
Für die Schriftsprache gibt es zwei Optionen

a) ein Idiom

b) ein Kompromiss zwischen den Idiomen

Die erste Lösung wäre die beste und vor Arbeitsaufwand her auch die geringste, dagegen spricht jedoch die Akzeptanz: Keines der Idiome übertrifft die anderen an Literatur, Tradition, Prestige oder Zahl der Sprechenden. Aus diesem Grund haben die ladinischen Kulturinstitute "Micurà de Rü" und "Majon di Fascegn" dem Zürcher Universitätsprofessor Heinrich Schmid mit der Ausarbeitung der Kriterien für die Ausarbeitung der gemeinsamen Schriftsprache beauftragt. Heinrich Schmid hatte bereits die Kriterien für die Ausarbeitung des Rumantsch Grischun, der gemeinsamen Schriftsprache der Rätoromanen in Graubünden, erstellt. Es hat sich erwiesen, daß die Schriftsprache wesentliche Verbesserungen für die Rätoromanen gebracht hat.

Bereits 1833 hat sich übrigens Micurà de Rü (Nikolaus Bacher) eine gemeinsame Schriftsprache für die Dolomitenladiner gewünscht.

Das Ladin dolomitan
Die Methode besteht im wesentlichen darin, aus den Varianten des Ladinischen jene Formen auszuwählen, die eine Mehrheit haben. Es werden keine neuen Formen geschaffen, sondern es wird aus bereits bestehenden Formen ausgewählt. Es wird nichts künstlich erstellt, nichts erfunden, nichts konstruiert.


Anfeindungen
Es gab und gibt viele unsachliche und unqualifizierte Angriffe auf das Ladin dolomitan. Federführend sind dabei solche, die sonst für die ladinische Kultur kaum einen Finger rühren oder sich gar immer wieder gegen die Aufwertung der ladinischen Sprache und Kultur wenden, wie beispielsweise gegen mehr Unterricht der Muttersprache in der Schule.

Bei ihren Angriffen zeigten die Kritiker immer wieder ihre geringe Sachkenntnis. Argumentiert wurde meistens mit Vereinfachungen, Halbwahrheiten (die immer auch halbe Lügen sind) oder auch glatte Unwahrheiten.

Als das Projekt des Ladin dolomitan ins Leben gerufen wurde, wurde sogleich ein eigener Verein dagegen gegründet. Bei einer Veranstaltung nun las ein Exponent des Vereines einen Text vor um zu beweisen, wie gekünstelt und häßlich das Ladin dolomitan sei. Also las er den Text vor - bis er von einem Zuhörer unterbrochen wurde: Der Kämpfer gegen das Ladin dolomitan las einen Text im Fassaner Idiom vor, merkte dies jedoch nicht.

Der Widerstand gegen die Schriftsprache kommt übrigens aus einer einzigen, parteipolitischen Ecke.

Zu den Vorwänden gegen das Ladin dolomitan:

Das Ladin dolomitan wird die einzelnen Idiome nicht verdrängen, wie immer wieder behauptet wird. Es soll als schriftliche Form dort Verwendung finden, wo die Ladiner mehrerer Talschaften angesprochen sind (und wo heute meistens Deutsch oder Italienisch verwendet wird). Vielmehr wird das Ladin dolomitan durch die Synergien bei Wortneubildungen die einzelnen Idiome stärken.

Immer wieder ist das Ladin dolomitan als "Kunstsprache" bezeichnet worden, immer wieder wurde auch der Begriff "Esperanto" verwendet. Ladin dolomitan ist jedoch keine Kunstsprache; es wird nichts erfunden, konstruiert, künstlich erstellt. Alle Formen sind bereits existent.

Ladin dolomitan ist kein Esperanto: Es werden nicht verschiedene Sprachen zusammengeschustert, sondern es wird der größte gemeinsame Nenner gefunden zwischen verschiedenen Formen einer Sprache. Das Ladin dolomitan ist eine Standardform des Ladinischen, die die verschiedenen Idiome berücksichtigt, nicht ein Gemisch aus verschiedenen Sprachen.

Ladin dolomitan ist keine Mischsprache, sondern ein Standardform einer einzigen Sprache; es werden nicht Sprachen gemischt, sondern es werden die Gemeinsamkeiten der Idiome einer Sprache herauskristallisiert.

In einem gewissen Mass jedoch ist jede Sprache eine Mischsprache: Das Englische ist der Prototyp einer Mischsprache schlechthin, Französisch hat seine Darlehen aus dem Deutschen und aus dem Italienischen sehr elegant eingegliedert, Spanisch hat viele arabische Elemente einverleibt. Da erscheint es lächerlich, das Ladin dolomitan, das nur einen gemeinsamen Nenner zwischen den Idiomen nur einer Sprache (und nicht verschiedener Sprachen) darstellt, als "Mischsprache" abzulehnen. Da müßte die Menschheit vor Sprachlosigkeit stumm bleiben.

Das ladin dolomitan, das Merkmale aller Idiome in sich vereint, ist der größte gemeinsame Nenner der Idiome. Somit ist diese Form für alle Ladiner leichter zu verstehen als jeweils die anderen Idiome. Zahlreiche Schriftsprachen sind im übrigen auf ähnlichem Wege entstanden: Aus der Notwendigkeit, eine Kommunikationsform zu schaffen, die für möglichst viele verständlich ist, ergibt sich ein Gleichgewicht zwischen den Dialekten.

Gegen das Ladin dolomitan sein heißt:
Gegen eine angemessene Verwendung der Sprache in der Öffentlichkeit sein

Gegen die rein kulturelle Überwindung der faschistischen Dreiteilung sein

Gegen den Ausbau der ladinischen Sprache allgemein sein und damit dagegen, daß diese Sprache Zukunftschancen und damit Überlebenschancen hat

"Die Spaltung der Dolomitenladiner in fünf (wenn nicht sechs, sieben oder acht) Schriftidiome ist mit gravierenden Nachteilen verbunden." (Heinrich Schmid, Einleitung zur "Wegleitung für den Aufbau einer gemeinsamen Schriftsprache der Dolomitenladiner)

Gegen die Standardisierung der Sprache können nur jene sein, die diese Nachteile wollen.

Nach dem gleichen Prinzip wie das Ladin dolomitan wurde übrigens auch die Schriftsprache der Rätoromanen in der Schweiz erstellt - mit großen Erfolg. Diesen Erfolg wollen gewissen Kreise für die Dolomitenladiner verhindern.

Die Parallele: Rumantsch Grischun
Die Schriftsprache der Rätoromanen - das Rumantsch Grischun - in Graubünden wurde nach dem gleichen Prinzip erstellt wie das Ladin dolomitan. Sie wurde 1982 von Prof. Heinrich Schmid (_ 1999), Universität Zürich, im Auftrag der Lia Rumantscha geschaffen. Das Rumantsch Grischun ist das Resultat eines sprachlichen Kompromisses: Es beruht hauptsächlich auf den drei Regionalvarianten Sursilvan (Bündner Oberland), Vallader (Unterengadin) und Surmiran (Oberhalbstein/Albulatal), berücksichtigt aber in vielen Fällen auch die beiden kleineren Idiome, das Sutsilvan (Val Schons/Schamsertal) und das Puter (Oberengadin) sowie die verschiedenen regionalen und lokalen Varianten.

Man hat vorwiegend positive Erfahrungen mit dem Rumantsch Grischun gemacht. Dank der Schriftsprache wird das Rätoromanische in Bereichen verwendet, die bislang dem Deutschen, Italienischen und Französischen vorbehalten waren. Die Sprache der Minderheit konnte sich in der Öffentlichkeit neue Räume erobern, die bisher den anderen Landessprachen vorbehalten waren.

Dia Lia Rumantscha verwendet das Rumantsch Grischun für alle offiziellen und administrativen Texte, die sich an die gesamte rätoromanische Bevölkerung richten. Der Bund verwendet das Rumantsch Grischun für Texte, die für das rätoromanische Gebiet von besonderer Bedeutung sind. Seit dem 10. März 1996 (eidg. Volksabstimmung zum Sprachenartikel 116/neu 70 BV) ist die Bundesverwaltung verpflichtet, das Rätoromanische im Schriftverkehr mit der Rätoromania zu verwenden.

Die Akzeptanz bei der Bevölkerung ist - entgegen unfundierten Medienberichten - sehr hoch.

Akzeptanz
1992 hat die Regierung Graubündens eine Arbeitsgruppe beauftragt, die Grundlage für eine sozialwissenschaftliche repräsentative Meinungsumfrage zur Ermittlung des Volkswillen betreffend der rätoromanischen Einheitssprache. Im Jahre 1994 wurde das zürcher Institut Cultur Prospectiv mit der Durchführung der Umfrage betraut. 1996 wurden die Ergebnisse in einem Schlussrapport zu Handen der Regierung veröffentlicht. Die Resultate dieser Meinungsumfrage lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • 66% der RätoromanInnen wünschen eine gemeinsame Schriftsprache.
  • 44% bevorzugen dabei das Rumantsch Grischun. Lediglich 11% sprechen sich für das Surmeirische und weitere 11% für ein anderes Idiom aus.
  • Das Rumantsch Grischun ist als Ergänzung, nicht als Alternative zu den Idiomen zu verstehen.
  • 19% lehnen jegliche Lösung für eine sprachliche Einheit ab. Empfehlungen der Rumantsch Grischun aber einen höheren Stellenwert erhalten.

Eine von der Bündner Regierung eingesetzte Arbeitsgruppe hat den Gebrauch des Rumantsch Grischun auf den verschiedenen Schulstufen konkretisiert. Mit dem Erlass des neuen kantonalen Schulgesetzes vom Frühling 1999 ermöglicht die Regierung den Gemeinden ab dem Schuljahr 2000/01 Rumantsch Grischun als Zweitsprache in den Primarschulen zu unterrichten.

Pledari Grond
1993 hat dia Lia Rumantscha ihre gesamte linguistische Datenbank in Buchform herausgegeben (Pledari grond). Das Pledari grond enthält heute (1999) rund 200'000 Stichwörter. Ein beträchtlicher Teil davon sind Neuwortschöpfungen und Fachterminologien. Dieses moderne Wörterbuch ist heute auf CD für alle Computersysteme erhältlich.

Friûl
Im Friaul hat sich das Problem nicht in dieser Form gestellt, da sich schon früh eine koiné gebildet hat: Das Idiom des Vierecks um die Städte Udin, San Denel, Glemone und Cividât hat die Funktion der Schriftsprache übernommnen.

Außerdem sind in der friaulischen Ebene die Unterschiede zwischen den Idiomen noch geringer als bei den Dolomitenladinern oder Romanen Graubündens: Die Kontakte waren nicht durch hohe Pässe behindert, die Idiome durften also weniger Unterschiede aufweisen.

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